GRIMME ONLINE AWARD 2023
Interview mit Prof. Dr. Kai Gniffke, ARD-Vorsitzender und Intendant des Südwestrundfunks
„Wir haben einen gesetzlichen Bildungsauftrag“
Interview: Stephan Lenhardt
Warum ist Medienbildung Aufgabe der ARD?
Nachrichten und Informationen erreichen die Menschen längst nicht mehr nur über die so genannten traditionellen Medien, sondern sie ploppen bei Twitter oder Telegram auf. Oft ohne Quellen. Gleichzeitig ist die Gefahr der Manipulation gerade in Krisenzeiten groß: Worte können Menschen sogar in Videos täuschend echt in den Mund gelegt werden. „Das bedeutendste Problem ist unsere kollektive Unfähigkeit, zwischen Fakten und Fiktion zu unterscheiden“, schreibt der „Club of Rome“ in seinem Bericht „Earth for all“. Drängender noch als der Klimawandel. Befragungen zeigen, dass Jugendliche immer öfter mit Fake News in Berührung kommen. Mittlerweile verdienen Unternehmen mit Desinformationen Geld. Medienbildung ist wichtig, um unterscheiden zu können: Was ist wahr und was ist falsch? Eine Studie der „Stiftung Neue Verantwortung“ zeigt, dass Befragte die Unterschiede sowohl zwischen Desinformation und Information als auch zwischen Werbung und Meinung nur schwer erkennen. Die ARD hat den gesetzlichen Auftrag zur Bildung und dazu gehört die Medienbildung.
Wie kommt die ARD diesem Auftrag nach?
Die Nutzenden können sich in ARD-Angeboten mit Medieninhalten auseinandersetzen: beispielsweise im „Medienmagazin“ von radioeins (rbb), in „Medien – Cross und Quer“ vom SR oder im NDR-Fernsehen bei „Zapp“. Zum anderen lernen Kinder und Jugendliche in der ARD, wie Medien funktionieren: Mit der „Maus“ (WDR) können Kinder programmieren lernen oder das „Team Timster“ (KiKa) zeigt, was ChatGPT ist. Und die ARD kämpft gegen Desinformation, checkt Inhalte und Bilder mit dem „ard-faktenfinder“ oder dem „faktenfuchs (BR)“.
Welche Angebote gibt es abseits des Programms?
Medienbildung ist – auch nach Ansicht der Kultusminister der Bundesländer – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe für Schule, Eltern, Politik und Medien. Als föderaler Medienverbund sind wir ein idealer Partner für Schulen vor Ort. Die ARD lädt Schüler*innen in die Medienhäuser ein. Hier können sie erleben, wie wir Inhalte produzieren, und oft auch mitmachen. Zum WDR nach Köln kommen täglich bis zu sechs Klassen. Die ARD besucht auch Schulen, der SWR bietet zum Beispiel Workshops mit Nachrichtenprofis. Lehrkräfte finden bei der ARD Material für den Unterricht und für zu Hause: Erklärvideos, Stundenpläne, Quiz oder Spiele wie den SWR Fakefinder. Mit „einfach.medien“ (NDR) können Lehrende in einer Schulstunde vermitteln, wie Influencer*innen Geld verdienen – eben um Werbung und Meinung zu unterscheiden.
Was kann die ARD bei der Vermittlung von Medienkompetenz besser machen?
Auch hier müssen wir unsere Kräfte weiter bündeln. Ich fände es schön, wenn Kinder und Jugendliche in ihrer Schullaufbahn mindestens einmal, besser zwei- oder dreimal Kontakt mit der ARD hätten. Und das nicht nur im Gymnasium, sondern in allen Schulformen und bestenfalls schon in der Kita.
Zu Kai Gniffke:
Kai Gniffke ist seit Januar 2023 Vorsitzender der ARD und seit September 2019 Intendant des Südwestrundfunks. Mehr als zehn Jahre verantwortete er als Erster Chefredakteur ARD-aktuell unter anderem die Tagesschau, Tagesthemen und tagesschau.de. 2007 erhielt Kai Gniffke den Grimme Online Award für seine Autorenschaft im Tagesschau-Blog.
Foto oben: SWR / Patricia Neligan
Zu Stephan Lenhardt:
Stephan Lenhardt ist in der ARD Kommunikation tätig, die auch die Pressearbeit der ARD verantwortet.
Dieser Artikel ist entstanden für die Publikation zum Grimme Online Award 2023. Sie finden die gesamte Broschüre zum Download auf den Seiten des Preises: