Update: Juni 2023

Wahrheit, Fehler, Fake? – Die Faktenchecks

Vergleich und Bewertung der Faktenchecks in Deutschland

(Direkt zu den Informationen über die einzelnen Faktenchecks und zum Fazit: CORRECTIV.Faktencheck I dpa-Faktencheck I AFP-Faktencheck I ARD-faktenfinder I BR24-#Faktenfuchs I DW-Faktencheck I Volksverpetzer-Faktencheck I Fazit)

Ist es richtig, dass die Sterberaten von Geimpften über denen der Ungeimpften liegen? Sind die Bilder toter Zivilist*innen in Butscha eine Inszenierung des ukrainischen Militärs? Beweist ein Bild der ausgetrockneten Elbe aus dem Jahr 1904 den „Klima-Schwindel“? Wer sich über soziale Medien wie Twitter, TikTok, Telegram oder YouTube zu vieldiskutierten Themen wie Corona, Ukraine-Krieg, Klimawandel etc. informiert, trifft fast zwangsläufig auf Beiträge, die eine gänzlich andere Sichtweise vermitteln als z.B. die ARD-Tagesschau, ZDF-heute oder RTL Direkt, Süddeutsche Zeitung, Spiegel oder FAZ. Zur Prüfung solcher Behauptungen gibt es verschiedene sogenannte „Faktenchecks“. Der Medienbildungshub hat sich die bekannten Faktenchecks Deutschlands angeschaut.

Screenshots der in diesem Artikel besprochenen Faktenchecks; Montage: Grimme-Institut

Screenshots der in diesem Artikel besprochenen Faktenchecks; Montage: Grimme-Institut

Was sind Faktenchecks?

Laut dem „Journalistikon“, einem von Prof. Dr. phil. Katja Artsiomenka und Prof. Dr. Horst Pöttker herausgegebenen Online-Wörterbuch für Journalistik, ist der Faktencheck eine der wichtigsten Tätigkeiten der journalistischen Recherche. Er wird als „Praxis des Prüfens von ausgewählten Behauptungen vor oder auch nach Veröffentlichung durch die Norm der Wahrhaftigkeit und die journalistische Sorgfaltspflicht“[1] beschrieben. Mittlerweile hat sich der Begriff Faktenchecks etabliert für eine bestimmte Art von journalistischen Beiträgen: Artikel oder Videos, die sich mit einer Behauptung oder einer These befassen und sie auf ihren Wahrheitsgehalt untersuchen.

In diesem Sinne haben sich seit einigen Jahren verschiedene journalistische Institutionen formiert und spezialisiert, die mit ausführlichen Faktenchecks zu einzelnen Fragen und Themen auf die zunehmende Erstellung und Verbreitung von Fake News und Desinformationen reagieren.

Freilich gibt es auch Kritik an dieser Art der Wahrheitsüberprüfung: Ab wann ist eine Nachricht eine Falschnachricht oder Fehlinformation und nicht lediglich eine strittige Frage? Inwieweit sind bestimmte Faktencheck-Redaktionen tatsächlich unabhängig? Ist die Zusammenarbeit von Faktenchecker*innen mit Unternehmen wie Meta (Facebook, Instagram) ratsam oder schmälert sie die Glaubwürdigkeit der prüfenden Journalist*innen? Auch gegen den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Auffindung (und damit in einem gewissen Maße auch Lieferung einer ersten Interpretation) von Fake News gibt es Einwände.

Fakt ist: Faktenchecks, sofern gut gemacht, helfen den interessierten Leser*innen, sich ein Bild von einem umstrittenen Sachverhalt zu machen. Und sie erlauben, auch das ist im Zuge einer Vertrauensbildung in „die Medien“ nicht zu unterschätzen, einen guten Einblick in die Recherchepraxis von Journalist*innen und Redaktionen.

Untersuchte Faktenchecks

Wir haben im Februar 2023 die folgenden Faktenchecks aus Deutschland untersucht:

  • den Faktencheck von Correctiv,
  • den AFP-Faktencheck,
  • den dpa-Faktencheck,
  • den „faktenfinder“ der ARD,
  • den #Faktenfuchs des Bayerischen Rundfunk,
  • den Faktencheck der Deutschen Welle sowie
  • (im Juni 2023) den Faktencheck des Volksverpetzers.

Es gibt noch einige weitere Faktenchecks, z.B. zur ARD-Diskussionssendung „Hart aber fair“[2], der allerdings eher auf den Wahrheitsgehalt der in der Sendung getätigten Äußerungen der Teilnehmenden eingeht. Auch die Nachrichtensendung ZDFheute bietet Faktenchecks[3], allerdings wird auf der Website nicht zwischen Faktencheck, Recherche und Hintergrundinformationen unterschieden. Zudem erstellen einzelne Institutionen Faktenchecks, z.B. der Deutsche Bauernverband[4].

Hinweis zu den Faktenchecks des Volksverpetzers: Zwischen der Untersuchung der Faktenchecks unter der Adresse https://www.volksverpetzer.de/category/faktencheck/ im November 2022 und dem Beginn der Erstellung dieses Artikels hat sich auf der Website des Volksverpetzers die Kategorisierung geändert. Auf Nachfrage Ende 2022 erklärte die Redaktion, dass die Website derzeit rekategorisiert werde. Dies ist leider bis heute nicht vollständig geschehen, weshalb wir Ende Mai / Anfang Juni 2023 eine etwas verkürzte Untersuchung des Volksverpetzers erstellt haben.

Zur Untersuchung

Untersucht wurden die Faktenchecks eines Jahres: vom 15.10.2021 bis zum 14.10.2022. Die Analyse umfasst quantitative und qualitative Elemente:

  • Welche Themen werden behandelt?
  • Wann stand welches Thema im Vordergrund?
  • Gibt es Unterschiede in der Vielfalt der Themen und in der Gewichtung einzelner Themen?
  • Wie sind die Faktenchecks aufbereitet?
  • Welche Bilder und Grafiken werden verwendet?
  • Sind die Informationen leicht verständlich oder eher wissenschaftlich aufbereitet?
  • Welche Quellen werden genutzt, welche Belege werden genannt?

Zur Kategorisierung wurden die Themen der untersuchten Behauptungen herangezogen: Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie, Klima, Migration, Politik etc. Die thematische Einordnung ist nicht immer eindeutig: So hat beispielsweise die gegenwärtige Energiekrise unzweifelhaft etwas mit dem Ukraine-Krieg und/oder mit den Entscheidungen der Politik zu tun, wird aber unter dem Stichwort „Energie/-krise“ (und nicht unter „Ukraine-Krieg“ oder unter „Politik“) geführt. Bei einigen Faktenchecks ist die Trennschärfe nur sehr gering, eine andere Einsortierung wäre teilweise ebenso schlüssig gewesen. Dadurch könnten sich kleine Unschärfen bei den quantitativen Ergebnissen ergeben, die Tendenzen hingegen dürften aussagekräftig bleiben.

Zur näheren Untersuchung der inhaltlichen Aufbereitung der Faktenchecks einzelner Redaktionen haben wir, neben der Gesamtbetrachtung der Checks in dem genannten Untersuchungsjahr, vier Themen herausgegriffen und verglichen, die mehrmals aufgegriffen wurden:

  1. Faktenchecks zu der Studie bzw. Internetumfrage („ImpfSurv“) von Prof. Harald Matthes (Inhaber einer Stiftungsprofessur für integrative und anthroposophische Medizin an der Charité, Berlin), die gegenüber den Zahlen des Paul-Ehrlich-Instituts (Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit) eine deutlich höhere Anzahl schwerer Nebenwirkungen der Covid-Impfstoffe nennt. Folgende Websites berichteten darüber: ARD-faktenfinder, BR #Faktenfuchs, CORRECTIV.Faktencheck, dpa-factchecking, AFP-Faktencheck, Volksverpetzer Faktencheck (alle Mai/Juni 2022).
  2. Faktenchecks zu einem angeblichen Zitat des Bundeskanzlers Olaf Scholz bezüglich eines möglichen Kriegseintritts Deutschlands gegen Russland, auch gegen den Widerstand der eigenen Bevölkerung. AFP-Faktencheck, dpa-factchecking, CORRECTIV.Faktencheck berichteten darüber (Mai und September 2022).
  3. Faktenchecks zu der Neugestaltung der ARD-Tagesthemen-Wetterkarte: Behauptet wurde hier, dass durch geänderte Farbgebung der Karten der Klimawandel und die Erderwärmung dramatisiert würden. War die Karte 2017 mit Vorhersagen von Temperaturen über 30 Gard Celsius noch komplett grün gehalten, so zeigt eine Karte von 2022 die Temperaturen von nur ca. 25 Grad auf kräftig-roter Farbe. Darüber berichteten: ARD-faktenfinder, CORRECTIV.Faktencheck, dpa-factchecking (alle Juni/Juli 2022).
  4. Faktencheck zur angeblichen Bevorzugung ukrainischer Flüchtlinge bei der Auszahlung der Rente: Angeblich erhalten sie, ohne vorher Rentenzahlungen in Deutschland geleistet zu haben, eine Rente ab Beantragung, sofern sie über 57,5 (Frauen) bzw. über 60 Jahre (Männer) alt seien. Anlass dieser Behauptung war einerseits eine Telegram-Nachricht zu einer (angeblichen) E-Mail, die an alle Jobcenter in Deutschland ging, sowie eine inhaltlich falsche Facebook-Antwort des Mitteldeutschen Rundfunks. Über dieses Thema berichteten: BR #Faktenfuchs, CORRECTIV.Faktencheck, dpa-factchecking, AFP-Faktencheck, Volksverpetzer Faktencheck (Mai und September 2022).

Um einen Eindruck von der Ausgewogenheit der Faktenchecks zu gewinnen, haben wir zum Thema „Ukraine-Krieg“ untersucht, ob die einzelnen Redaktionen sowohl die russische als auch die ukrainische Seite berücksichtigt haben – denn zweifellos gibt es in Kriegszeiten Propaganda und Fake News auf beiden Seiten der Kriegsparteien. Hierbei geht es auch, aber nicht hauptsächlich um Behauptungen von Regierungen oder Regierungsmitgliedern. Vielmehr wurden die meisten Faktenchecks aufgrund von privaten Beiträgen oder Artikeln auf Social Media (Twitter, Telegram, Facebook u.ä.) erstellt, die sich zum Teil wiederum auf (oft missverstandene oder gar nicht getätigte) Äußerungen von Fachleuten oder Politiker*innen beziehen. Eine Steuerung und Streuung gewisser Desinformationen seitens der Regierungen, die dann in sozialen Medien und auch von Journalist*innen aufgegriffen werden, kann natürlich nicht ausgeschlossen werden.

Die einzelnen Faktenchecks

Verweise

[1] Journalistikon – Das Wörterbuch der Journalistik. Herausgegeben von Katja Artsiomenka und Horst Pöttker. Begriff „Faktencheck“. Online unter: https://journalistikon.de/faktencheck/ (abgerufen am 09.01.2023).

[2] Hart aber fair: Faktenchecks. Online abrufbar auf den Seiten des WDR unter: https://www1.wdr.de/daserste/hartaberfair/faktencheck/index.html (abgerufen am 09.01.2023).

[3] ZDFheuteCheck. Online abrufbar auf den Seiten des ZDF unter: https://www.zdf.de/nachrichten/thema/zdfheutecheck-faktencheck-recherche-100.html (abgerufen am 09.01.2023).

[4] Deutscher Bauernverband: Faktenchecks. Online abrufbar unter: https://www.bauernverband.de/faktenchecks (abgerufen am 09.01.2023).