Fakes, Manipulationen und Propaganda

(Dieser Artikel ist Teil des Schwerpunkts „Zwischen echt und gefaket – Kriegsbilder in unserer Wahrnehmung“!)

„Noch nie hat ein moderner Krieg eine solche Flut an nicht nachprüfbaren Bildern produziert“, heißt es in einem Artikel von Imre Grimm auf den Seiten des Redaktionsnetzwerks Deutschland.[1] Ein täuschend echt wirkendes Video von einem fiktiven Luftangriff auf Paris zeigt auf, was technisch möglich ist. Dieses Video wurde erstellt vom ukrainischen Verteidigungsministerium, um die NATO für eine Flugverbotszone über der Ukraine zu gewinnen – und es war relativ klar, dass es eine Fälschung ist.

Kriegsbild und Aufschrift

Kriegsbild und Aufschrift „Fake?“; Bild: Grimme-Institut / Michael Schnell

Doch bei vielen anderen Bildern muss immer ein Restzweifel bleiben, ob es die abgebildete Szene tatsächlich gegeben hat. Da bloggen zwei Personen, die es nachweislich nicht gibt, für eine Webseite namens „Ukraine Today“. Mit Hilfe von Bots, Bildbearbeitung und Künstlicher Intelligenz wurden „glaubwürdige“ Gestalten erschaffen, die auf den ersten Blick völlig real wirken und über soziale Netzwerke die öffentliche Meinung zum Krieg beeinflussen sollten.[2] Ein anderes Beispiel: Der ukrainische Präsident Selenskyj wurde mit einem Fußballtrikot gezeigt, auf dem ein Hakenkreuz abgebildet ist – das echte Bild hat an dieser Stelle die Rückennummer 95 des Trikots gezeigt.[3]

Neben solchen Fälschungen existieren auch Bilder, die schlicht in einen neuen Kontext gesetzt werden: Eine Fotografie mit einem brennenden Flugzeug zeigt keinen Absturz eines russischen Fliegers im derzeitigen Ukraine-Krieg, sondern ein Unglück bei einer Flugshow Jahre zuvor. Ein Mädchen, das mit einem Soldaten spricht, stammt aus einem älteren Video und zeigt nicht ein Mädchen, das den russischen Soldaten bittet, nach Hause zu gehen.[4] Die Bilder waren also echt, entstanden allerdings nicht im Zusammenhang mit dem derzeitigen Krieg.

Bei der Betrachtung von Kriegsbildern ist auch immer der Urheber zu beachten, da die Kriegsparteien jeweils ihre eigene Wahrnehmung des Krieges verbreiten möchten. Das zuvor erwähnte Video des ukrainischen Verteidigungsministeriums spielt natürlich mit den Ängsten der Menschen in Westeuropa. Auch die Auftritte der beiden Präsidenten, Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj sind natürlich berechnend: Der Kommunikationsexperte Christian Schicha erklärt in einem Interview des ZDF, dass Selenskyj „in Handyvideos im militärgrünen T-Shirt, wo er sich mit pathetischen Worten als Kämpfer darstellt und die Herzen seines Volkes erreicht“ auftrete, die russische Seite hingegen „über klassische Ansprachen“ ihr Zielpublikum zu erreichen suche. Vorteile in der Außendarstellung sieht Schicha auf der ukrainischen Seite: Selenskyj zeige sich als „Meister der strategischen Kommunikation“, der die modernen Medien geschickt einsetze.[5] Ähnlich sehen dies Ingo Neumayer und Alex Getmann auf WDR.de, die auf die frühere Karriere des ukrainischen Präsidenten als Schauspieler und Regisseur verweisen.[6]

Journalist*innen und Redaktionen müssen vorsichtig sein, aufwendig recherchieren, gründlich abwägen, ob ein Bild bzw. ein Video gezeigt wird oder nicht, auch wenn nur leichte Zweifel an ihrer Echtheit vorliegen mögen. Zudem ist Voreingenommenheit zu vermeiden: Selbst wenn die zuvor genannten Beispiele für Falschinformationen vornehmlich von russischer Seite stammen, warnt der Medienwissenschaftler Florian Zollmann vor einem einfachen „Gut/Böse-Schema“, weil die Zahl der unabhängigen Beobachter*innen des Krieges gering sei.[7]

Verweise

[1] Imre Grimm: Krieg in sozialen Netzwerken. Traut euren Augen nicht! Im Krieg der Bilder ist praktisch alles möglich. Online auf den Seiten des Redaktionsnetzwerks Deutschland unter: https://www.rnd.de/medien/bilder-zum-krieg-in-der-ukraine-was-ist-echt-was-faelschung-ARJX75LDS5GGFKQRNH7EXIDPXU.html (vom 16.03.2022, abgerufen am 05.04.2022).

[2] Elisabeth Urban: Wie Deepfakes russische Propaganda im Netz verbreiten. Online auf den Seiten von t3n.de unter: https://t3n.de/news/deepfakes-russische-propaganda-1455520/ (vom 01.03.2022, abgerufen am 05.04.2022).

[3] Grimm (rnd.de vom 16.03.2022, s. Anm. 1)

[4] Patrick Gensing: Desinformation zum Ukraine-Krieg. Veraltete Bilder und fiktive Journalisten. Online auf den Seiten der Tagesschau unter: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/krieg-ukraine-bilder-videos-101.html (vom 01.03.2022, abgerufen am 05.04.2022).

[5] ZDF.de: Von Kampfgeist und Bildkontrolle. Wie Selenskyj und Putin kommunizieren. Online unter: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/kommunikation-information-medien-russland-ukraine-krieg-100.html (vom 02.03.2022, abgerufen am 05.04.2022).

[6] Ingo Neumayer und Alex Getmann: Ukraine-Krieg: Propagandaschlacht und Kampf um die Bilder. Online auf den Seiten des WDR unter: https://www1.wdr.de/nachrichten/ukraine-russland-krieg-informationen-propaganda-100.html (vom 05.03.2022, abgerufen am 05.04.2022).

[7] Ingo Neumayer und Alex Getmann (wdr.de vom 05.03.2022, s. Anm. 6).