Dezember 2022
Zeitschriften-Umschau (Dezember 2022)
Medienbildung, Medienpädagogik, Medienkompetenz – auf dieser Seite stellen wir Artikel aus aktuellen Fachzeitschriften vor. Viele davon können online gelesen oder heruntergeladen werden.
Popkultur 2.0: Unterhaltung und Bildung in sozialen Medien
mediendiskurs (Ausgabe 102, 4/2022), früher „tv diskurs“
Die Fachzeitschrift wird herausgegeben von der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) und informiert über Entwicklungen beim Jugendmedienschutz, in der Medienpolitik und ‑pädagogik sowie verwandten Forschungsdisziplinen; erscheint vierteljährlich. Alle Artikel sind online frei zugänglich.
Die Mediennutzung ist auch im Bereich Information und Wissen im Wandel: Weniger Zeitung und TV-Abendnachrichten, mehr soziale Medien, allen voran TikTok. Das ist keine neue Erkenntnis, doch angesichts von Fake News und Desinformation stellt sich vermehrt die Frage, wie gerade Kinder und Jugendliche seriöse Nachrichten erkennen können. Der mediendiskurs widmet diesem Thema einen Schwerpunkt: Popkultur 2.0.
Bernhard Pörksen sieht („Lehren des Informationskrieges“, S. 12 ff.) eine große Differenz zwischen dem analogen Krieg, bei es nur eine Zeitfrage sei, dass Putin den Sieg davontragen werde, und dem Krieg in der digitalen Netzwelt, in dem sich zwei publizistische Großmächte gegenüberstehen und in dem Putin der Verlierer sei – und der Autor geht den Fragen nach, worin die Medienmacht des ukrainischen Präsidenten besteht und wie sich sein Einfluss auf die öffentliche Meinung der westlichen Welt erklären lässt.
Die folgenden Artikel gehen insbesondere auf die Social-Media-Plattform TikTok ein: Amelie Wiese und Daniel Hajok beschreiben in „Politische Sozialisation Jugendlicher in Zeiten von TikTok“ (S. 16 ff.), dass die politische Sozialisation von Jugendlichen verstärkt über Apps wie TikTok oder auch Instagram stattfinde. Die Autor*innen sehen die Vorteile (TikTok könne „die Auseinandersetzung mit neuen Themen begünstigen“), zeigen jedoch auch auf, dass Falschinformationen recht schnell Verbreitung finden können und die Algorithmen das ihrige dazu beitragen können.
In einem Interview erklärt Niklas Kolorz („Vom Universum und schwarzen Löchern können meine Fans nie genug bekommen“, S. 22 ff.), wie auf TikTok Wissenschaftskommunikation funktionieren kann. Thomas Hestermann geht unter „Wenn die ‚Tagesschau‘ tanzt“ (S. 26 ff.) auf einzelne deutsche Sender ein, die mittlerweile recht erfolgreich Wissen und Informationen auf TikTok anbieten. Gefühle und Medienkonsum thematisiert Hannah Beck in ihrem Beitrag „Eine Forschungsreise in die Welt der Gefühle bei TikTok“ (S. 30 ff.): Inwieweit beeinflusst TikTok die Gefühle Jugendlicher? Und wie nutzen sie TikTok, um ihre Gefühle zu regulieren? Nicola Döring geht schließlich noch auf „Sexuelle Bildungsangebote in sozialen Medien“ (S. 44 ff.) ein, die es mittlerweile zuhauf gebe, die aber von unterschiedlicher Qualität seien.
Außerhalb des Titelthemas sei noch der Artikel „Erfahrungen Heranwachsender mit digitaler sexueller Gewalt“ (S. 52 ff.) von Daniel Hajok erwähnt, der auf die Zunahme digitaler sexueller Gewalterfahrungen junger Menschen eingeht: Sexuelle Grenzverletzungen unter Heranwachsenden und digitale sexuelle Gewalt Erwachsener gegenüber Heranwachsenden.
Medien.Pädagogik und Rassismus.Kritik – Impulse einer Auseinandersetzung
merz – Zeitschrift für Medienpädagogik (Ausgabe 5/2022)
Medienpädagogische Fachzeitschrift, hrsg. von Kathrin Demmler, Prof. Dr. Bernd Schorb und JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis; erscheint alle 2 Monate. Die Zeitschrift ist kostenpflichtig.
Die fünfte Ausgabe in 2022 der Zeitschrift merz befasst sich mit dem Thema „(Online-)Medien und Rassismus“. Ausgangspunkt ist der rassismuskritische Ansatz, der Rassismus nicht nur als diskriminierende Handlungen zwischen Personen versteht, sondern als Phänomen und Problem einer gesamten Gesellschaft.
Seyran Bostancı geht in ihrem Artikel „Rassismus und Kindheit“ (S. 8 ff.) auf US-amerikanische Studien ein, die aufzeigen, dass schon jüngere Kinder ein Wissen um ihre Zugehörigkeit zu einer Rasse besitzen, ein Bewusstsein „für Hierarchisierung und Hautfarbe“ (S. 9). Sie können sich dieses rassistische Wissen aneignen, und das nicht nur durch das schlichte Imitieren des Erwachsenen-Verhaltens. Inwieweit Kindheit durch Rassismus geprägt wird und inwieweit Kinder selbst Rassismus produzieren und weiterverbreiten – dazu gebe es in Deutschland leider nur sehr wenige Forschungen und Studien.
Junge Leute zeigen ein großes Interesse an dem Thema „strukturelle Benachteiligung und Rassismus“ – medienpädagogische Projekte können daran anknüpfen und in Schule und außerschulischen Bildungsorten Settings entwickeln, um Rassismus entgegenzutreten. Voraussetzung dafür sind Qualifizierungsmaßnahmen der pädagogischen Fachkräfte, schreiben Raphaela Müller und Fabian Wörz in ihrem Beitrag „Dagegen sein ist nicht genug. Gedanken zu einer rassismuskritischen Medienpädagogik“ (S. 16 ff.).
Um Rap und dessen Berührungspunkte mit Rassismus, also z.B. Grenzüberschreitungen oder auch Aufforderungen zu mehr Respekt geht es in dem „Interview mit Matondo Castlo: Rap, Rassismus, Rassismuskritik. Alles für die Jugend“ (S. 28 ff.) von Mareike Schemmerling und Lorenz Narku Laing.
Rebecca Wienhold beschreibt in ihrem Artikel „Medienpädagogik intersektional gedacht“ (S 33 ff.) erste Erkenntnisse aus einem medienpädagogischen Projekt in einem Zentrum für Mädchen* of Colour. Es geht darin um die notwendige Selbstreflexion der medienpädagogischen Fachkräfte und ihren Zugang zu den Mädchen über ergebnisoffene, niedrigschwellige Angebote.
Der Beitrag „Journalismus – Rassismus – Diversität. Repräsentation von People of Color und Diversität als Perspektive im Journalismus“ (44 ff.) von Ana-Nzinga Weiß und ihr Interview (S. 52 ff.) mit der Beauftragten für Integration und interkulturelle Vielfalt des WDR, Iva Krtalic, drehen sich um die Bedeutung der Medien im Rahmen von gesamtgesellschaftlichen Diskursen zu Rassismus und um mögliche Lösungsansätze zur Vermeidung verzerrter Bilder und Texte zu People of Color, z.B. eine größere Diversität in Redaktionen.
Außerhalb des Titelthemas „Medien.Pädagogik und Rassismus.Kritik“ findet sich in der Publikation noch ein interessanter Beitrag zum Thema „Gaming und Einflüsse von Gambling – Überschneidungen zweier Bereiche und die daraus resultierende Bedeutung“ (S. 76 ff.) von Mel-David Tersteegen und Fabian Pieke. Glücksspielähnliche Elemente finden sich auch schon in Games, die von Kindern gespielt und geliebt werden. Welches Verhältnis besteht zwischen dem Spielverhalten und gewissen Abhängigkeiten, zwischen dem Kaufen von Lootboxen und einem ersten Einstieg in das Glücksspiel?
Digitale Grundbildung als Pflichtfach – Kontexte und Konkretisierungen
Medienimpulse – Beiträge zur Medienpädagogik Bd. 60 Nr. 3 (2022)
„Medienimpulse – Beiträge zur Medienpädagogik“ ist eine wissenschaftliche Fachzeitschrift zum Thema Medienpädagogik aus Österreich. Sie wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und erscheint vierteljährlich als Online-Magazin.
Für die Klassenstufen 5 bis 8 in Österreich gibt es mit Beginn des Schuljahres 2022/2023 ein neues Schulfach: die „Digitale Grundbildung“. Im Vorfeld dazu verwies die neueste Ausgabe der Medienimpulse darauf, dass es bislang kein Lehrbuch für das neue Fach gebe und zudem die Frage nach den Lehrkräften und ihren Qualifikationen offen sei (s. Editorial, S. 2). Die Zeitschrift gibt der „Digitalen Grundbildung“ ein wenig Kontur, indem sie zurückschaut auf die Entstehung des neuen Faches, Unterrichtsmaterialien anbietet, Erfahrungen aus anderen Ländern schildert und Gedanken zur Entwicklung einer Fachdidaktik der Digitalen Grundbildung formuliert.
Zu den außerösterreichischen Erfahrungsberichten zählt der Artikel „Professionalisierung für die Digitale Grundbildung in der Primarstufe. Überblick zum BMBF-Projekt ‚Grundsatzfragen und Gelingensbedingungen in der Professionalisierung von pädagogischen Akteurinnen und Akteuren für Kinder im Grundschulalter'“ (P3DiG) von Rudolf Kammerl, Thomas Irion, Traugott Böttinger und Melanie Stephan. Grundsätzlich gelte, dass die Pädagogik den Einsatz digitaler Technik bestimme solle und die Digitale Grundbildung eine grundlegende Bildung in einer mediatisierten Welt darstelle. In einer Tabelle werden die Ansätze zur Bestimmung von Kompetenzen und Bildungszielen in Deutschland dargestellt. Außerdem wird ein Überblick über das P3DiG-Projekt geliefert, ein Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das Professionalisierungsbereiche und -prozesse definieren soll.
MedienConcret: MIT HALTUNG! Für Frieden, Freiheit und Vielstimmigkeit
MedienConcret (Ausgabe 2022)
Magazin zu einem einzelnen Thema, herausgegeben vom Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF) und dem jfc Medienzentrum; erscheint einmal jährlich. Die Zeitschrift ist kostenpflichtig.
Die Corona-Pandemie, die Klimakrise und dann auch noch der Krieg Russlands gegen die Ukraine – wie können sich jungen Menschen mit den Krisen und Erschütterungen unserer Zeit auseinandersetzen, wie können sie eine Haltung entwickeln, wo finden sie Anregungen und Denkanstöße? Vielleicht in den Medien? Die neue Ausgabe der Zeitschrift MedienConcret bietet Antworten.
Lars Gräßer und Judith Kirberger vom Grimme-Institut machen sich in ihrem Beitrag „Wenn Medien zu Waffen werden – Für eine neue Friedenspädagogik im Netz“ (S. 26 ff.) Gedanken zum Kriegsschauplatz Internet und einer Friedenspädagogik, die „Frieden stiften will im Digitalen und dadurch vielleicht Gewaltausübung verhindern kann im Analogen“. Gewalt fördernde Muster und Strukturen gilt es nicht nur beim Thema Krieg zu identifizieren, sondern auch im alltäglichen Umgang miteinander im Netz.
Bernhard Pörksen fordert eine „Graswurzelrevolution der Medienbildung“, so die Überschrift seines Artikels (S. 31 ff.) – und er meint, dass diese Medienbildungsoffensive aus dem Journalismus kommt oder kommen kann. Erste Ansätze seien zu erkennen, wenn Journalist*innen in die Schulen gehen, Lehrkräften Weiterbildungen antragen, um zu zeigen, was es mit den Standards des Journalismus auf sich hat (auch wenn es natürlich auch Beispiele für schlechten Journalismus gibt, der sich nicht an diese Standards hält). „Hier findet sich ein Ausweg aus dem Desinformationsspektakel in Richtung einer redaktionellen Gesellschaft von Bürgerinnen und Bürgern, die medienmächtig sind und medienmündig.“ (S. 33) Und dann müssten „nur noch“ Hassrede und Falschnachrichten effektiv begrenzt werden …
Frederic Jage-Bowler beschreibt in seinem Artikel „Von der Kunst der Dadaisten zur Troll-Fabrik von heute“ (S. 34 ff.) die Personen, die sicherlich alle Nutzer*innen von Foren und sozialen Netzwerken genervt haben: Trolle. Ihr Auftreten hat sich gewandelt: Längst sind es nicht mehr nur sonderbare oder streitlustige Einzelpersonen – nein, es gibt mittlerweile ganze Troll-Fabriken.