August 2022

Lernen mit Computerspielen

Gamescom, Medienbildung und „Spielend lernen!“

Junge spielt am Tablet; Bild: Grimme-Institut / Michael Schnell

Junge spielt am Tablet; Bild: Grimme-Institut / Michael Schnell

In den letzten zwei Jahren fand sie coronabedingt nur online statt, in diesem Jahr wieder direkt vor Ort in Köln: die Gamescom. Im Vordergrund der wichtigsten und größten Computerspielmesse in Europa steht die Präsentation neuer Spiele, das gemeinsame Erleben und Anstehen in langen Reihen an den Ständen der großen Games-Entwickler. Abseits davon hat die Gamescom weiteres zu bieten – auch zum Thema Medienbildung.

Ein wichtiges Bildungsevent zum Thema Computerspiele ist der Gamescom-Kongress (gamescom congress). In diesem Jahr ging es um „Strategien für einen modernen Jugendmedienschutz“, um den Einsatz von Games im Unterricht und um innovative Konzepte und Methoden in der Bildung. Die Messe selbst wartete wieder mit dem Bereich „family & friends“ auf, der das gemeinsame Spielen und Lernen in der Familie in das Blickfeld rückte und auch die Lehren aus der Coronazeit, als digitales Lernen teilweise eng mit Computerspielen verknüpft wurde, zur Sprache brachte.

Cover des Buchs

Cover des Buchs „Spielend lernen!“

Den Zusammenhang von Spielen und Lernen thematisierte bereits früh – zeitnah zur Gamescom 2017 veröffentlicht – auch das Grimme-Forschungskolleg mit dem 5. Band der Schriftenreihe zur digitalen Gesellschaft NRW „Spielend lernen! Computerspiele(n) in Schule und Unterricht“.[1] Hier werden Fragen diskutiert wie: Lassen sich in kommerziellen Computerspielen konkrete Bildungspotenziale beschreiben? Können sie zur Vermittlung von Wissen insbesondere im Schulunterricht genutzt werden? Und wie sehen erfolgversprechende Unterrichtssettings dazu aus?

Das 2016 von der Kultusministerkonferenz (KMK) formulierte Strategiepapier „Bildung in der digitalen Welt“ betont, dass die Digitalisierung eine neue Kulturtechnik hervorgebracht habe: den kompetenten Umgang mit Medien. Medienkompetenz zu vermitteln sei demnach (auch) die Aufgabe der Schulen. Und wenn diesbezüglich von „Medien aller Art“ die Rede ist, die es „kritisch zu reflektieren und zielgerichtet, sozial verantwortlich und gewinnbringend zu nutzen“ gelte, dann gehören dazu eben auch die Computerspiele – wenngleich nicht als eine Art Lernumgebung oder „Bildungsmedien“.[2] Trotzdem muss die Frage gestellt werden, warum Games – im Übrigen bis heute – in Schule und Unterricht nahezu nicht stattgefunden haben.

Dieser Frage ist das Praxisforschungsprojekt „Spielend lernen – Computerspiele(n) als Vehikel der Wissensvermittlung im schulischen Unterricht“ nachgegangen. Die wesentlichen wissenschaftlichen, medienpädagogischen und fachdidaktischen Ergebnisse finden sich zusammengefasst in der erwähnten Publikation „Spielend lernen! Computerspiele(n) in Schule und Unterricht“. In einer Reihe von ganz unterschiedlich besetzten Workshops (Schülerinnen und Schüler, Gamesentwickler*innen, Lehrer*innen und Pädagog*innen u.a.m.) wurde hier untersucht, welche technischen, konzeptionellen und pädagogischen Erfolgskriterien Computerspiele zu einem sinnvollen Werkzeug im schulischen und außerschulischen Unterricht machen können: Potenziale und Grenzen der pädagogisch-didaktischen Nutzung kommerzieller Computerspiele wurden ausgelotet, Erfahrungen und Umsetzungsstrategien insbesondere auch im außerschulischen Kontext zusammengefasst und in die Möglichkeiten der Organisation „Schule“ eingebettet. Der Kontext Schule wurde ausführlich in den Blick genommen, indem Lehrende beschrieben, wie bestimmte Wissensinhalte im Unterricht momentan aufgegriffen werden und wie groß ihr Spielraum ist, Themen in unterschiedlichen Formen – unter Berücksichtigung der technischen und inhaltlichen Hürden – anzugehen.

Das Projekt wurde aus Mitteln des Grimme-Forschungskollegs an der Universität zu Köln sowie des Landes NRW gefördert.

Das Buch kann auf der Seite des Grimme-Instituts als PDF kostenlos heruntergeladen werden.

weitere Informationen und Download des Buches

Cover des Buchs

Cover des Buchs „Medienqualität“

Auch abseits ihrer Bildungspotenziale erfahren Computerspiele mittlerweile zunehmende Relevanz und Akzeptanz als Kunst und Kulturgut. Deshalb haben wir früh damit begonnen, das junge, hochdynamische Medium in den bestehenden Qualitätsdiskurs des Grimme-Instituts einzubinden. Der Qualitätsdebatte rund um Computerspiele widmet sich ein Artikel von Dr. Benjamin Strobel und Wolfgang Zielinski im 2020 erschienenen Sammelband „Medienqualität“ (Hrsg.: Frauke Gerlach).[3] Die Autoren diskutieren den Qualitätsbegriff in Bezug auf Games, wie er sich in der gesellschaftlichen Wahrnehmung abbildet – von frühen „Computerspiel-Reviews“ mit Fokus auf Funktionalitäten, Grafik etc. bis zum aktuellen Forschungsstand, der die Aneignungsprozesse durch den Spielenden in den Blick nimmt. Der Artikel steht auf der Website des Fachverlags transcript zum kostenlosen Download zur Verfügung.

zum Download des Artikels

Linktipps: Weitere Informationen zum Thema „Games, Lernen, Unterricht“

Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Internetangeboten zum Thema. Die nachfolgende Liste bietet eine kleine Auswahl mit aktuellen Informationen und Anregungen dazu.

LfK: Games im Unterricht

Kinder und Jugendliche abholen – diese Worte fallen immer wieder, wenn es darum geht, wie Kindern und Jugendlichen bestimmte Themen im Unterricht nahezubringen sind.  Der Einsatz von Computerspielen ist sicherlich eine Möglichkeit, doch dazu braucht es auch pädagogische Unterstützung und reichlich Hintergrundwissen für die Lehrkräfte. Die Website „Games im Unterricht“ der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) bietet all dies.

zur Website „Games im Unterricht“

Digitale Spiele mit pädagogischem Potential

Die „Stiftung Digitale Spielekultur“ des Verbands der deutschen Games-Branche („game“) bietet eine lange Liste mit Games, die gut in pädagogischen Kontexten eingesetzt werden können. Neben den Grunddaten (Spieleplattform, USK-Alterseinstufung, Genre) und den Informationen zu Inhalt und Spielmechanik werden auch die pädagogischen Einsatzmöglichkeiten beschrieben.

zur Website mit der Spieleliste auf stiftung-digitale-spielekultur.de

BpB: Lernen mit digitalen Spielen im Unterricht

Daniel Behnke ist Lehrer für Englisch und Geschichte (Sek 1 und 2), Entwickler von Lernangeboten für Schulen und Hochschulen (auch im Bereich Game Based Learning) und Blogger (digital-spielend-lernen.de). Er hat für die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) im März 2022 einen ausführlichen Artikel zum Thema „Lernen mit digitalen Spielen im Unterricht“ verfasst. Darin geht er auf die Begrifflichkeiten Lernspiele, Serious Games und Mainstream-Spiele ein, auf digitale Spiele, die thematisch an Unterrichtsinhalte anknüpfen und dort Lernimpulse setzen können, sowie auf den Einsatz von Spielen als Untersuchungsgegenstand selbst, um ihre Inhalte und Darstellungsformen zu analysieren und diskutieren.

zum Artikel auf bpb.de

Serious Games – ein Interview mit Martin Steinicke

Was können Serious Games? Welche Inhalte eignen sich für die Vermittlung von Wissen? Wie lassen sich Inhalt und Vermittlungsweg für ein gutes Serious Game zusammenbringen? Diese und mehr Fragen beantwortet Martin Steinicke, der die Nutzung von Spielkonzepten (Gamification) und ­technologien (APITs) sowie das Digital Game­based Learning an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin erforscht, in einem Interview des „game“-Verbands.

zum Interview auf game.de

Medienimpulse: Medienpädagogisch wertvolle Spiele  

Karina Kaiser-Fallent stellt in dem Journal Medienimpulse regelmäßig medienpädagogisch wertvolle Spiele vor, die in konkreten Unterrichtssituationen für die Grundschule eingesetzt werden können.

zum Artikel „Ich spiele, was ich sehe“ in Medienimpulse: Bd. 59 Nr. 1 (2021)
(auf dieser Seite finden sich weitere Artikel von Karina Kaiser-Fallent mit Spieletipps!)

Verweise

[1] Wolfgang Zielinski, Sandra Aßmann, Kai Kaspar und Peter Moormann (Hrsg.): Spielend lernen! Computerspiele(n) in Schule und Unterricht. (Schriftenreihe zur digitalen Gesellschaft NRW, Bd. 5) Düsseldorf/München 2017.

[2] Zitate nach Wolfgang Zielinski: Ein „unfassbarer Mehraufwand“? oder: Computerspiele(n) und das Primat des Pädagogischen, in: Zielinski u.a. 2017 (s. Anm. 1), S. 9-15, hier S. 11.

[3] Strobel, Benjamin/Zielinski, Wolfgang: Zum Qualitätsbegriff bei digitalen Spielen, in: Frauke Gerlach (Hrsg.): Medienqualität. Bielefeld 2020, S. 201-212.