KI und Journalismus
Künstliche Intelligenz ist bereits Alltag in vielen Nachrichtenredaktionen, mit zum Teil unterschiedlichen Einsatzgebieten. Es gibt aber auch viele Vorbehalte zum Einsatz solcher Techniken.
„Es stimmt schon, dass man Robotern nicht über den Weg trauen sollte. Und schon gar nicht ihren Hirnen. Spricht man als Journalist mit seinem Publikum über künstliche Intelligenz (KI), sind die Fragen nach der Verwendung solcher Automatisierungstechnologien in den Medien deswegen von Misstrauen geprägt.“[1]
Im Vordergrund stehen zwei Befürchtungen: zum einen, dass die Qualität des Journalismus durch Artikel aus „Roboterhand“ nachlässt, zum anderen, dass die Automatisierung bestimmter journalistischer Arbeitsbereiche zu einem Verlust von Arbeitsplätzen führt. Im Folgenden wird sich zeigen, dass manche Ängste eher unbegründet, manche jedoch auch berechtigt sein können.
Vor- und Nachteile für den journalistischen Arbeitsprozess
„Medien berichten hier ständig über die falschen Themen“, klagt die Informatikerin und Buchautorin Katharina Zweig („Ein Algorithmus hat kein Taktgefühl: Wo künstliche Intelligenz sich irrt, warum uns das betrifft und was wir dagegen tun können“) in einem Interview des Magazins journalist bezüglich des Themas „Journalismus und KI“.[2] Weiter führt sie aus:
„Ich halte KI immer dann für problematisch, wenn sie etwas bewerten soll, das ethisches und moralisches Verständnis voraussetzt: den besten Bewerber oder die nächste Straftäterin zum Beispiel.“[3]
Doch KI kann immer dann ihre Vorteile ausspielen, wenn es darum geht, Informationen und Dateien (Audio, Video, Texte) einzuordnen und zu strukturieren:
- So kann KI-gestützte Software in kurzer Zeit eine große Menge an Bildmaterial auf bestimmte Inhalte – zum Beispiel auf verfassungswidrige Symbole oder, ja, auch auf bestimmte Personen – untersuchen, bevor diese Bilder weiterverarbeitet werden.
- Nach Wahlen können in kurzer Zeit Ergebnisse gesammelt, zusammengefasst, nach bestimmten Kriterien untersucht und zum Teil auch schon analysiert werden.
- Die Interessen von Leser*innen werden erfasst und untersucht – und vielfach natürlich auch für die Werbung genutzt.
- Die große Vielfalt an Kommentaren unter den Artikeln können auf Hass und Beleidigungen untersucht werden.
Einige dieser Funktionen haben allerdings nur wenig mit KI zu tun, werden aber oft als solche bezeichnet. Zum Thema Recherche beispielsweise führt Katharina Zweig aus:
„Personen finden, Themen finden, das läuft alles digital ab. Die dahinter liegenden Algorithmen als künstliche Intelligenz zu bezeichnen ist übertrieben, wird aber oft gemacht. Bei der Google-Suche handelt es sich eigentlich um eine Big-Data-Anwendung.“[4]
… und computergenerierte Artikel?
Ja, es gibt sie bereits vielfach: Artikel über Finanzen, das Wetter, über kleine Sportveranstaltungen, die mittels KI erstellt werden. Die Rheinische Post hat zum Beispiel sogleich nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der Kommunalwahl in NRW mehrere hundert kleinere Artikel in sehr kurzer Zeit „künstlich“, das heißt durch eine automatische Textgenerierungssoftware anfertigen lassen.[5] Auf den Seiten der Zeitung können diese Artikel nachgelesen werden. Sie sind als „Automatisch geschriebene Artikel“ gekennzeichnet.[6]
Künstliche Intelligenz kann dem Journalisten viel Arbeit abnehmen. Aber kann er ihn auch ersetzen?
„Wenn eine künstliche Intelligenz eine Aufgabe besser oder schneller als ein Mensch erledigen kann, wenn sie ihn von Routine- oder Schwerstarbeiten befreit, ist sie eine Ergänzung seiner Fähigkeiten. Wenn sie ihn ersetzt, ist sie ein Jobkiller.“[7]
Beides ist möglich. Ist eine Journalistin / ein Journalist in einem Medienunternehmen vornehmlich für aufwändige Recherchen oder für kurze, relativ einfache Artikel zuständig, kann KI auch ihre bzw. seine Position ersetzen. Damit ist für Andrian Kreye, den Autor des Artikels „Die rote Linie“, dieselbe überschritten. Doch wie schon erwähnt kann die für gute Recherchen notwendige Arbeitszeit durch KI auch deutlich gesenkt werden, wodurch mehr Zeit bleibt für Kommentierung und Analyse.
Laut Deutschlandradio Kultur diskutierten dies auch die Mitwirkenden beim „JournalismAI Festival“, zu dem Ende 2020 die London School of Business eingeladen hatte. Und auch dort wurde klar, dass es Vorbehalte beim Einsatz von KI im Journalismus gebe, aber:
„Das Klischee vom intelligenten Roboterkollegen, der Texte schreibt, ist nur ein sehr kleiner Bereich mit begrenzten Einsatzmöglichkeiten für künstliche Intelligenz, und bei Weitem nicht der vielversprechendste.“[8]
Die Automatisierung bestimmter Tätigkeiten sollte als Hilfsmittel angesehen werden, das den Journalist*innen viel Arbeit abnehmen kann. Wichtig sei es, dass sie die Möglichkeiten und Grenzen der KI kennen. Daher ist eine gute Zusammenarbeit zwischen ihnen und den Technikern wichtig. Dieses Teamwork geht „über simple Arbeitsteilung hinaus und bedeutet auch ein Umdenken in Bezug auf redaktionelle Prozesse.“[9]
Fazit: Angesichts der Chancen und Risiken beim Einsatz künstlicher Intelligenz erscheint es unerlässlich, dass Medienhäuser Standards festlegen, welche Arbeiten in welchen Zusammenhängen mit KI erledigt werden können, ohne dass darunter die Qualität der Berichterstattung und Analyse leidet.
[1] Andrian Kreye: Künstliche Intelligenz: Die rote Linie. Bei Süddeutsche Zeitung Online unter: https://www.sueddeutsche.de/medien/kuenstliche-intelligenz-fake-news-recherche-1.5204699 (vom 15.02.2021, abgerufen am 09.03.2021)
[2] Catalina Schröder: „Das wird die Arbeitswelt und unser aller Leben verändern!“ (Interview mit Katharina Zweig). In: journalist-Spezialausgabe vom März 2021, S. 19-23, hier S. 21.
[3] Ebd., S. 21.
[4] Ebd., S. 23.
[5] Henning Kornfeld: „Die Technik kommt, lasst sie uns nutzen!“ In: journalist-Spezialausgabe vom März 2021, S. 39-44, hier S. 44.
[6] Rheinische Post: Kommunahlwahl 2020. Das Beispiel Köln ist abrufbar unter: https://rp-online.de/nrw/staedte/koeln/kommunalwahl/ergebnisse/
[7] Andrian Kreye, Süddeutsche Zeitung Online, siehe oben.
[8] Jenny Genzmer und Dennis Kogel: Künstliche Intelligenz und Medien: Journalisten von banalen Aufgaben entlasten. Auf den Seiten des Deutschlandfunks Kultur unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/kuenstliche-intelligenz-und-medien-journalisten-von-banalen.1264.de.html?dram:article_id=489891 (vom 25.12.2020, abgerufen am 09.03.2021)
[9] Ebd.